Bei einem internationalen Workshop habe ich gerade einen Vortrag gehalten, die Ergebnisse meiner langjährigen Forschung vorgestellt. Hinterher gratuliert mir der international renommierte, französische Professor X zu meinem Vortrag – ich bin natürlich glücklich darüber. Sehr schnell wird aber klar, warum er eigentlich auf mich zugekommen ist: Er habe mit Bedauern bemerkt, dass ich einen Ring am Finger trage, sagt er auf einmal. Ob ich denn französisch spräche? Der beste Weg, eine Sprache zu lernen, sei ja ein Liebhaber. So geht das noch eine Weile, von einem Interesse an spannendem Austausch über Inhalte keine Spur mehr. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, ärgere mich über mich (obwohl X doch der Depp ist). Mein gutes Gefühl ob eines gelungenen Vortrags ist verflogen, ich fühle mich jetzt scheiße, irgendwie fehl am Platz. Ein (sehr netter) Kollege, der eigentlich während der ganzen Zeit daneben gestanden hat und dem ich später von der Sache erzähle, hat davon nichts mitbekommen. Etwas später berichtet er mir aber fast schon ungläubig, X hätte sich tatsächlich (in einer kleinen Männerrunde) bedauernd geäußert, dass es für einen anderen berühmten (und mittlerweile verstorbenen) Kollegen immer so leicht gewesen sei, Affären anzufangen. Was mich abgesehen von diesen Szenen an sich noch ärgert: Hinterher habe ich eine Mail an eine der Veranstalterinnen (die unter anderem intensiv im Rahmen unseres gemeinsamen Forschungsgegenstands die Benachteiligung von Frauen untersucht) des Workshops geschrieben, in der ich die Vorkommnisse geschildert habe – man könnte sich ja überlegen, wie man junge Wissenschaftlerinnen vor X schützen könnte, wenn man ihn denn partout weiter einladen möchte. Zumindest eine kurze Antwort, ein einfaches „oh, das ist ja wirklich ärgerlich!“ hätte mir schon gereicht. Es kam gar nichts, keine Reaktion.