Eine Situation nach der Verteidigung meiner Dissertation. Zuvor der halbstündige Vortrag mit anschließender einstündiger „peinlicher Befragung“ durch den Prüfungsausschuss um zu testen, ob ich nun eine sattelfeste Wissenschaftlerin bin. Das Übliche also. Und nach der Notenverkündung dann das Defilee der Gratulant*innen: zuerst die Gutachter*innen, dann die Prüfer*innen der Kommission und in der Warteschlange Kolleg*innen, Freund*innen, Familie, ein paar Studierende usw. Als einer der Prüfer an der Reihe ist, der mich bereits als Studierende und danach als langjährige vollzeitbeschäftigte Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich kannte, strahlte er übers ganze Gesicht, sichtlich angetan vom erfolgreichen Abschluss, aber auch am Thema interessiert, das er sehr anregend fand, wie er mir sagte. Und dann folgte noch dies: „Also wirklich, Frau XY, Hut ab, ich habe großen Respekt vor Ihrer Leistung und dass Sie das alles so toll NEBEN HAUSHALT UND FAMILIE geschafft haben!“
Außer „vielen Dank“ wusste darauf nichts zu sagen, denn ich war völlig perplex. Ich wusste, dass er etwas Nettes sagen wollte, aber wieso erschien ihm eigentlich mein wissenschaftliches Tun als Nebentätigkeit? Gehört hatte ich eigentlich: „Ab ins Körbchen!“. Und hatte schon jemals jemand meinen Partner dafür gelobt, dass er neben Haushalt und Familie auch noch vollzeit berufstätig ist und das alles wirklich ganz toll macht? (Nein, selbstverständlich nicht!)
Inzwischen erzähle ich diese Geschichte Studierenden, wenn ich ihnen erklären möchte, was „symbolische Gewalt“ (Bourdieu) eigentlich ist, und um den euphemisierten Sexismus, der in diesem scheinbar freundlichen Lob wie ein Gift wirkt, konkret thematisieren zu können …