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Herabgewürdigt

Ich hatte an einer deutschen Universität als Postdoc eine halbe Projektstelle inne. Im letzten Jahr der Stelle konnte ich zusammen mit einem anderen Postdoc, den ich in dieser Zeit kennengelernt hatte, eine Zusage für eine Stelle mit ähnlichem thematischen Inhalt (also eine Mischung aus Weiterführung und Ergänzung meiner bisherigen Stelle) an einer anderen Uni für die Zeit nach Auslaufen meines Vertrages bekommen. Ich freute mich sehr darüber, zumal von meinem Vorgesetzten keinerlei Vorschläge für eine Weiterfinanzierung gemacht worden waren, obwohl von Anfang an klar war, dass ich mehr Zeit für meine Bearbeitung des Themas benötigen würde, da abgesprochen war, dass ich auf der Dreijahresstelle eine Habilitation beginnen würde. Ein Versuch meinerseits, Anträge zu stellen, war total abgeblockt worden, so dass absehbar war, dass ich nach Ende der Stelle im Regen stehen würde. Als ich dann von der sicher in Aussicht stehenden Stelle erzählte, wurde mir mit ausfallender Gestik die Bemerkung an den Kopf geworfen, dass ich dann wohl nicht richtig sei hier (Anmerkung: der bisherige Chef kannte den künftigen und es war nicht zu erwarten, dass ich mit meiner Habilitation quasi abwandern würde); dies erstreckte sich über mehrere Minuten. Einige Tage später wurde ohne jegliche Entschuldigung angemerkt, dass meine Idee doch sehr gut sei.

Gegen Ende der genannten ersten Projektstelle wurde ich schwanger. Meinem künftigen Chef erzählte ich davon, da abzusehen war, dass er mich dennoch einstellen würde, dafür aber einige Monate länger als geplant warten müsste – so kam es dann auch, und ich konnte bei ihm sicher sein, dass er darin kein Problem sehen würde. Da er aber den bisherigen Vorgesetzten kannte, setzte ich auch diesen in Kenntnis, denn ich hätte es merkwürdig gefunden, wenn er vielleicht doch von seinem Fachkollegen davon erfahren hätte (etwa in einer zufälligen Bemerkung, dass ich meine Stelle ja erst einige Monate später antreten würde). Die Reaktion darauf belastet mich noch heute: Mir wurde mit affektierter Gestik und in aufgebrachtem Ton entgegengeschleudert, wie ich mir das denn vorstellen würde. Ich sagte daraufhin, mich durch dieses Verhalten bereits sehr bedrängt fühlend, dass für die Kinderbetreuung schon gesorgt sei – was sollte ich auch sagen, auf derartige Reaktionen ist man ja selbst bei cholerischen Vorgesetzten nicht gefasst. Meine Bemerkung wurde völlig ignoriert und nur mehrfach die eigene Position wiederholt. Ich wurde nicht nur als Wissenschaftlerin degradiert, sondern als Frau völlig in die Ecke gedrängt – ein Gefühl, das wohl nur Menschen, die Ähnliches erlebt haben, wirklich verstehen können. Als ich einige Tage später ansprach, dass ich dieses Verhalten nicht in Ordnung fand, wurde mir nur in ähnlich unhöflicher Manier zu verstehen gegeben, dass man mit meinen Leistungen auf der Stelle nicht zufrieden sei. Für beide Vorfälle gab es nie eine Entschuldigung.

Auf meiner neuen Stelle hatte ich das Glück, ein sehr ausgewogenes und professionelles Führungsverhalten des Vorgesetzten zu erfahren, der ein erfolgreicher Wissenschaftler und engagierter Professor ist. Neben meiner Projektstelle gab es auch einige weitere; mit dem jeweils zu bearbeitenden Thema sind allerdings die meisten Kollegen nicht nach den Idealvorgaben fertiggeworden, die der Projektantrag setzte. Der Chef merkte mir gegenüber einmal an, es sei natürlich ein Problem, dass derartige Projektstellen leider immer zu kurz seien. Weitere Stellen hat auch er nicht zu vergeben, aber die Problematik ist ihm klar, und wenn er unterstützen kann, dann tut er es. Seine ganze Art, den charakterlich sehr verschiedenen Mitarbeitern jeweils eine nicht aufgesetzte und auf Augenhöhe geäußerte menschliche wie fachliche Wertschätzung entgegenzubringen, hat mich tief beeindruckt.

Wie sehr mich das herabwürdigende Umfeld der ersten Stelle negativ geprägt hat, sehe ich dennoch immer wieder. Gegen Ende der zweiten genannten Stelle erzählte mir eine Kollegin im Vertrauen, dass sie mit ihrem zweiten Kind schwanger sei und bat mich gleichzeitig, dies noch nicht weiter herumzuerzählen – im Arbeitsumfeld wisse bisher nur der Chef davon, der sich gefreut und ihr gratuliert habe. Ich habe es geschafft, meinen aufkommenden Tränenausbruch irgendwie wegzuschieben und ihr ehrlich gemeint zu gratulieren.

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